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Während der archäologischen Vorunter-suchungen im Trassenbereich der neuen Ortsumfahrung der L3125 für Ebsdorfergrund-Heskem (Lkr. Marburg-Biedenkopf), ausgeführt durch die von Hessen Mobil beauftragte Fachfirma „Wissenschaftliche Baugrund-Archäologie e. V.“, wurden verschiedene vorgeschichtliche Siedlungsareale ausgegraben und dokumentiert. So gesehen bringt der von der Gemeinde Ebsdorfergrund vorfinanzierte Bau der Ortsumgehung auch neue interessante archäologische Befunde mit sich.

Foto: Dr. F. Schwellnus, WiBA

Diese Maßnahme wurde notwendig, da in den durch den Straßenbau betroffenen Bereichen bereits im Vorfeld durch Oberflächenfunde vor- und frühgeschichtliche Fundstellen bekannt waren. Die Arbeiten konzentrieren sich derzeit auf die Einmündung der geplanten in die bestehende Straße zwischen Heskem und Dreihausen.

Dokumentiert sind bisher 23 jungsteinzeitliche Hausgrundrisse von Langhäusern, die in Pfostenständerbauweise erbaut waren. Die ursprüngliche Ausdehnung dieser Siedlung aus der Bandkeramischen Kultur (ca. 5.500 bis 4.900 v. Chr.) wird aber aufgrund der vorgegebenen Ausgrabungsfläche (Trasse der Baumaßnahme) nicht vollständig erfasst werden können.

Zu den regelhaften Funden gehören Scherben von Keramikgefäßen, Tierknochen, Mahlsteine sowie Steinwerkzeuge. Umso überraschender ist der Fund eines noch gut erhaltenen Kinderskelettes. Nicht bestattet in einer für diesen Zweck angelegten Grabgrube, sondern niedergelegt auf der Sohle einer großen Grube, die ursprünglich zur Entnahme von Lehm angelegt worden war. Es handelt sich hierbei dennoch nicht um die lieblose Entsorgung eines Leichnams in einer Grube. Niedergelegt mit dem Kopf im Westen und den Füßen im Osten, lag dieses Kind mit angehockten Beinen auf der linken Körperseite. So, als würde es „nur“ schlafen – ein Eindruck, der durch die Lage einer der Hände unter dem Kinn des Kindes noch verstärkt wird.

Foto: Dr. F. Schwellnus, WiBA

Aufgrund einer bereits während der Bergung vorgenommenen anthropologischen Begutachtung kann anhand des Zahnstatus ein Alter zwischen vier und acht Jahren angenommen werden. Es handelt sich dabei um ein Mädchen, wobei eine Geschlechts-bestimmung an Kinderskeletten immer einen Unsicherheitsfaktor in sich birgt.

Um die Zeit der Niederlegung noch genauer eingrenzen zu können, wurde vom Knochen-material eine Probe für eine 14C-Analyse genommen. Aufgrund der Auffindungssituation ist klar, dass diese Bestattung ebenso in die frühe Jungsteinzeit eingeordnet werden kann, wie auch das Fundmaterial – und damit rund 7.000 Jahre alt ist.

In unmittelbarer Nähe zur Kinderbestattung wurden weitere Skelettreste eines erwachsenen Individuums entdeckt. Auch in diesem Fall wurde der auf der rechten Seite liegende Leichnam mit Kopf im Westen und Füßen im Osten mit ebenfalls angehockten Beinen niedergelegt. Bestattungen innerhalb von bandkeramischen Siedlungen sind nicht ungewöhnlich; insbesondere Kinder oder ältere Menschen fanden wiederholt außerhalb der Gräberfelder dieser Zeitepoche ihre letzte Ruhestätte. Diese Niederlegungen innerhalb einer Siedlung sind damit vielleicht der letzte Nachhall einer besonderen emotionalen Beziehung zwischen den Hinterbliebenen dieser Verstorbenen, die sie auch nach deren Ableben weiter in ihrer Nähe wissen wollten.