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Dr. Martina Merz-Preiß, Beigeordnete

Die Diplom-Geologin ist seit 2021 Mitglied im Gemeindevorstand. Umwelt und Natur haben einen hohen Stellenwert in ihrem Leben. Um sie näher vorzustellen, haben wir mit ihr ein Interview geführt.

  1. Bitte erzählen Sie uns von den wichtigsten Eckpunkten in Ihrem Leben. Was haben Sie erlebt, was hat Sie geprägt?

Ich habe in Marburg und Liverpool (Großbritannien) Geologie studiert. Nach dem Diplom war ich 1987 drei Monate an der Lomonossov-Universität im Moskau. Michael Lomonossov hat in Marburg studiert und später die Moskauer Universität gegründet, daher hatten die beiden Universitäten ein Austauschprogramm, lange bevor der Eiserne Vorhang fiel. Mir gab das die Möglichkeit, das tägliche Leben unter ganz anderen politischen und wirtschaftlichen Bedingungen kennenzulernen.

Im Jahr darauf habe ich an der Universität von Miami, Florida, die Geländearbeit zu meiner Doktorarbeit begonnen. Endlose Wassermessungen in den Everglades, umgeben von Millionen von Mücken, Schlangen und Alligatoren, um zu untersuchen, was uns heute lebende Organismen über die Umweltbedingungen der Erdgeschichte sagen können. Mit den Ergebnissen meiner Geländearbeit habe ich dann Marburg promoviert. Geologie ist eine spannende Wissenschaft und man kann viel rumkommen!

In Marburg habe ich mich dann auch 1998, hochschwanger mit dem zweiten Kind, habilitiert. Damit habe ich die Lehrbefähigung für die Universität erworben, verbunden mit weiterer Forschungsarbeit. Danach musste ich mich entscheiden, und habe statt einer unruhigen Universitätslaufbahn um der Familie willen das Leben in einer alten Mühle im Ebsdorfergrund gewählt.

Fachwerkbesitzer werden mir zustimmen: in alten Häusern gibt es immer irgendetwas zu renovieren. Dabei kann man viel selber machen und sehr viel lernen! Genauso verhält es sich mit der Tierhaltung. Ich kann jetzt Lehm putzen, alte Fächer im Fachwerk ausbessern, Dielen legen, Geburtshilfe bei kleinen Wiederkäuern leisten, Schafe melken, Käse machen, Ställe misten, Bäume schneiden, Schlepper fahren und viele Dinge mehr, die ich an der Universität nie gelernt hätte.

Als wir in den Ebsdorfergund gezogen sind – für meinen Mann war es eine Heimkehr – hat er mir gesagt: „Wenn Du im Dorf wohnst, musst Du Dich auch einbringen“. Das habe ich getan. Zuerst ganz klassisch als Elternbeirätin, solange die Kinder in Dreihausen und Heskem zur Schule gingen. Gleichzeitig hatten wir immer wieder Spaß in der Mühle: es gab einen Vorlese- und einen Poetry slam-Tag, Krippenspiele, und andere Aktivitäten. Oft haben Schulklassen uns und vor allem unsere Tiere besucht. Noch immer werde ich manchmal von freundlichen jungen Erwachsenen gefragt: „Hallo Frau Preiß! Was machen denn die Schafe?“ Daher habe ich für diese Vorstellung ein Bild mit hohem Wiedererkennungswert gewählt.

 

  1. Was hat Sie dazu bewogen, sich politisch zu engagieren? Was treibt Sie an?

Seit meiner Zeit als Student bin ich der Überzeugung, dass Natur- und Umweltschutz einen höheren Stellenwert in der Politik haben müssten und nicht nur als „Luxus, wenn alles andere erledigt ist“ angesehen werden dürfen. Die dramatischen Entwicklungen der letzten Jahre, bei denen die Geschwindigkeit der Veränderungen wohl die meisten überrascht, bestätigen diese Ansicht.

2011 bin ich zum ersten Mal für die SPD in die Gemeindevertretung gewählt worden, seit 2021 bin ich im Gemeindevorstand. Seitdem hatte ich viele heftige Diskussionen über Flächenverbrauch, Versiegelung und Naturschutz, mit denen ich zwar meine Fraktion genervt habe, aber keine Erfolge erzielen konnte.

In letzter Zeit ändert sich die öffentliche Meinung. Ich bin ermutigt durch die Hoffnung, nun doch noch Mehrheiten für eine stärkere Berücksichtigung von Umwelt- und Naturschutz zu finden.

 

  1. Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Gemeinde und die Zusammenarbeit mit Bürgermeister Hanno Kern?

Ich hoffe, dass nicht Parteipolitik im Vordergrund steht, sondern der Wunsch aller Fraktionen und des Bürgermeisters, den Ebsdorfergrund gemeinsam zu gestalten.

Dabei werde ich mich weiter bemühen, dass ökologisch vertretbare Entscheidungen in den Vordergrund treten. Wir müssen, als wichtige Investition in die Zukunft, Umweltpolitik und Naturschutz viel ernster nehmen. Wir haben einen Punkt erreicht, an dem wir keine Zeit mehr verlieren dürfen. Ich fände es auch wünschenswert, wenn sich nicht nur Mandatsträger mit kreativen Ideen an der politischen Gestaltung beteiligen, sondern sich möglichst viele Menschen einbringen würden. Das Zitat von Friedrich Ebert „Demokratie braucht Demokraten“ ist momentan wieder besonders wichtig.